Wie schnell darf, wie langsam muss eine Modelllok fahren? Eine Frage, die sich sofort stellt, sobald es um die Einstellung des Geschwindigkeitsreglers geht. Dazu ein kleines Beispiel:
Meine erste Lok im Kindesalter war die E-Lok AEG E1 von LGB. Das gute Stück hat ein kaum untersetztes Getriebe, so dass die Lok munter losraste, als ich den Drehknopf nur wenig betätigte. Ein dezentes Surren war zu hören und schwoll beim weiteren Aufdrehen zum Heulen an. Letztlich rotierten die Räder derart schnell, dass die Fliehkraft drohte, die kleine zweiachsige Lok aus den R1-Kreis zu werfen. Das war für mich so richtig, denn schließlich war es eine E-Lok, die musste doch schneller sein als alle anderen.
Später erfuhr ich dann, dass das 1913 gebaute Vorbild dieser Lok eine Höchstgeschwindigkeit von nur (oder immerhin) 20 km/h hat.
Am einfachsten ist es, die Geschwindigkeit direkt zu messen. Aber fangen wir doch einmal mit etwas ganz handfestem an: dem Tachowagen.
Das Prinzip ist ganz einfach: Man nehme einen Wagen und einen Fahrradtacho, befestige den Magneten an der einen Seite der Achse, ein Ausgleichsgewicht (hier eine Schraube) an der anderen und den Sensor in der Nähe der Achse.
Als Kleber hat sich Heißkleber bewährt, der bei einer möglichen Dmontage fast rückstandsfrei entfernt werden kann und schnell aushärtet.
Das Kabel wird am Wagenboden und über die Bordwand hinweg geführt und der Tacho ebenfalls mit Heißkleber auf der Ladefläche fixiert
Der Tacho kann für Fahrräder auf verschiedene Raddurchmesser eingestellt werden. Dazu muss man den Durchmesser der Vorbildradscheibe an der Lauffläche wissen. Dieser wird mit dem Maßstab multipliziert. Wird der Durchmesser im Tacho in Zoll angegeben, muss die Rechnung erweitert, genauer durch 2,54 geteilt werden.
Ein Beispiel: Kunststoffachse von LGB: 31 mm, Maßstab 1:22,5, Ergebnis in Zoll
31 mm x 22,5 / 2,54 = 27,4 Zoll
Das entspricht einem 27-Zoll-Reifen. Bei einem Durchmesser von 31,5 mm kann in Nährung auch ein 28-Zoll-Fahrradreifen eingestellt werden.
Damit man einen Tacho direkt vom Fahrrad an den Wagen setzten.
Mit dem Tachowagen können wir die Geschwindigkeit” direkt ablesen, mit der der Vorbildzug fahren würde.
Recht einfach kann man aber auch die Geschwindigkeit errechnen, wenn man die Länge einer definierten Strecke und die dafür benötigte Fahrzeit kennt. Eine Stoppuhr mit Sekundenzeiger ist allerdings ein notwendiges Hilfsmittel: Hat man Standardgleise verbaut, kann man die Streckenlänge errechnen, indem man die Gleisstücke zählt, sonst muss gemessen werden.
Die Stundenkilometer errechnen sich aus:
60 / Fahrtdauer in Minuten x Länge der Strecke in Kilometer
= Vorbildgeschwindigkeit km/h
Zum Beispiel ist der Rundkurs der Kf.K.St.B. etwa 66 m lang, das entspricht (x 22,5) einer Vorbildstrecke von 1,485 km, aufgerundet 1,5 km, damit es sich besser rechnen lässt:
2 min Fahrzeit ergibt: 60 / 2 min x 1,5 km = 45 km/h
Zwei Methoden, die maximale Geschwindigkeit nach Gefühl einzustellen, gibt es für Dampfloks:
So erhält man zwar nicht die “richtige” Höchstgeschwindigkeit, sie ist aber für einen Betrachter plausibel, da sie sich an den technischen Gegebenheiten orientiert.
Die MOROP, der Verband der Modelleisenbahner und Eisenbahnfreunde Europas hat in Zusammenarbeit mit den Modellbahnherstellern einen Normenkatalog erarbeitet, der auch die “Hochstgeschwindigkeit der Modelltriebfahrzeuge” regelt: hier klicken (Stand 2011)
Bei Geschwindigkeitsregler ohne Lastausgleich darf ein Prozentsatz hinzugerechnet werden, um Anhängerlasten, Fahrten in Bögen und bergan ausgleichen zu können.
Laut NEM (Normen Europäischer Modellbahnen) wird dazu der Mittelwert der Nennspannung eingestellt (Nennspannung = Spannung, mit der die Modellbahn betrieben wird). Die Werte sind nach Nenngröße angegeben (Stand 2011):
Beispiel:
Die eingestellte Geschwindigkeit einer N-Lok kann bis zu 50 % höher liegen als eigentlich laut Vorbild möglich ist. Ein Modell der österreichischen Diesellok 2095 dürfte daher auch mit (umgerechnet) 75 km/h gefahren werden, selbst wenn für das Vorbild eine Höchstgeschwindigkeit von nur 50 km/h gilt.
Das gleiche Lokmodell für die Gartenbahn (Nenngröße I oder großer, hier G) sollte sich aber an die korrekt errechnete Geschwindigkeit halten (0 Prozent Erhöhung).
Die Höchstgeschwindigkeiten der Lok können sehr unterschiedlich sein. Hier einige Beispiele:
Die Werte sind recht unterschiedlich und abhängig von Bauart, Baujahr und Einsatzzweck.
Wer aufmerksam die obigen Formeln gelesen hat, dem mag aufgefallen sein, dass ich durchaus gerundet habe. Zum einen erlaubt die Rundung eine einfachere Berechnung, zum anderen ist ein krummes Ergebnis, womöglich mit Komma und Nachkommastellen nicht wirklich förderlich, denn man würde den Unterschied nicht bemerken, abgesehen davon kann man so genau auch nicht messen.
Daher sehe ich die Modellgeschwindigkeit nur als ein Hilfsmittel an, um die Züge mit ihren unterschiedlichen technischen Möglichkeiten einzuordnen, damit die EMD F3 nicht von der AEG E1 überholt wird, um wieder auf das eingangs erwähnte Beispiel zurück zukommen.
Auf welchem Weg man dann zum Ziel kommt (Nachmessen, Abschätzen), ist nicht entscheidend, denn man soll den Spaß nicht aus dem Auge verlieren.
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